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23 - Moselfränkisch










Moselfränkisch in den Dialekten der Donauschwaben

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Interview mit Dr. Hans Gehl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für donau-schwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen (5. März 2002)
[Die Fragen stellte Ernst Meinhardt, Redakteur bei der Deutschen Welle in Berlin]


Frage: Es gibt sechs donauschwäbische Siedlungsgebiete. Sie liegen im heutigen Rumänien, Ungarn, Serbien und Kroatien. Die Vorfahren der Donauschwaben kamen vor rund 300 Jahren aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Der Großteil stammte aber aus dem süd-westdeutschen Sprachraum. Im Laufe der Zeit haben sich in den donauschwäbischen Siedlungsgebieten Mischmundarten herausgebildet, die teils moselfränkisch, teils rheinfränkisch, teils bairisch-österreichisch geprägt sind. Ich sage bewusst ‚Mundarten‘, also Plural, denn einen einheitlichen donauschwäbischen Dialekt gibt es genauso wenig wie einen einheitlichen bairischen, sächsischen oder saarländischen Dialekt. Im Mittelpunkt unseres heutigen Interviews soll das Moselfränkische und sein Einfluss auf die Mundarten der Donauschwaben stehen. In welchen donauschwäbischen Siedlungsgebieten ist das moselfränkische Element besonders stark vertreten?

Gehl: Obwohl moselfränkische Ansiedler sicher auch in andere donauschwäbische Sied-lungsgebiete in Ungarn gekommen sind, z. B. ins Ungarische Mittelgebirge, in die Schwäbi-sche Türkei oder in die Batschka, können ihre Spuren heute praktisch sprachlich vor allem im Banat und in Neupalota bei Großwardein (Oradea), das zum Sathmarer Gebiet gehört, ermittelt werden. In Neupalota z. B. haben sich Formen wie Jonge, wat han mer heit?, also ‚Junge, was haben wir heute?‘ erhalten. Im Banat sind es je nach den primären Mundart-merkmalen:
- Erstens die moselfränkische Mundart von Neubeschenowa, also rumänisch Dudestii Noi, weil das im heutigen Rumänien liegt.
- Zweitens moselfränkisch-pfälzische Mischmundarten, z. B. in Neupetsch und Billed.
- Drittens westpfälzisch-moselfränkische Mischmundarten, also wie gesagt je nach den pri-mären Merkmalen. Die werden gesprochen in Bogarosch, Hatzfeld, Kleinbeschnenowa, Kleinjetscha, Knees, Lenauheim, Perjamosch und Sackelhausen. Also, alles im Banat, und zwar im rumänischen Teil des Banats.
- Viertens rheinfränkisch-moselfränkische Mischmundarten in Bruckenau, Deutschsanktpeter, Jahrmarkt, Tschanad, Tschene und Warjasch. Das wären die häufigsten.

Frage: Sie haben jetzt mehrfach das Wort ‚primäre Mundartmerkmale‘ verwendet. Was ist das?

Gehl: Es sind die wichtigsten Merkmale, die einen Dialekt vom anderen abgrenzen und eben zur Eingliederung einer Dialektform, das heißt einer sprachlichen Variante, verwendet werden.

Frage: Welches sind die kennzeichnenden Merkmale des Moselfränkischen?

Gehl: Das Moselfränkische gehört schon nicht mehr ganz zum Hochdeutschen und zum Niederdeutschen. Es bildet den Übergang vom Mittel- zum Niederdeutschen. Zu seinen primären Merkmalen zählt demnach unverschobenes ‚p‘ und ‚t‘, während ‚k‘ ja überall verscho-ben ist, außer ganz im Niederdeutschen. Es geht um Beispiele wie Appel für ‚Apfel‘, Pherd für ‚Pferd‘ oder et Kleenet für ‚das Kleine‘. Ebenfalls primäre Merkmale sind dat und wat, oder unverschobenes ‚t‘; sie wurden im Banat mit oberdeutscher Hilfe beseitigt wurden, weil sie zu auffällig gewesen wären.
Weiterhin geht es um auslautendes ‚b‘, das zu ‚f‘ verschoben wird in Beispielen wie Korf ‚Korb‘, gstorf‘ ‚gestorben‘, geft, also ‚gibt‘ im Sinne von ‚wird‘, et geft geruf – ‚es wird gerufen‘, oder hen geft geruf – ‚er wird gerufen‘.
Kommen wir zu den Pronominalformen wie hen und ne für ‚er‘, oder wen für ‚wer‘. Z. B. Wen hat et gsaat? – ‚Wer hat es gesagt?‘
Weiterhin geht es um Tonerhöhung von e > i, von o > u‚ parallel zur Senkung von i > e und von u > o. Ein typisches Beispiel dafür ist der 14. Wenker-Satz, wo es heißt: ‚Mein liebes Kind, bleib da unten stehen, die bösen Gänse beißen dich tot.‘ Das hört sich so an: Me leef Kind, bleif do onnen stien, die bies Gäns beißen deich tuut. [Der Sprachforscher Georg Wenker erhob um 1870 die 42 nach ihm benannten Kennsätze mit typischen grammatischen Formen aus etwa 2000 Ortschaften des Deutschen Reichs. Zusammen mit Ferdinand Wrede verwendete er das Material für den ‚Deutschen Sprachatlas‘.]


Frage: Damals vor 300 Jahren sind die Siedler ja – grob gesagt – aus dem Südwesten Deutschlands gekommen, also auch aus Gegenden, in denen Moselfränkisch gesprochen wird, z. B. aus Lothringen, aus Luxemburg, aus der Trierer Gegend, aus der Eifel. Wie ist es zu erklären, dass diese große Zahl der Siedler nicht auch ihren Ausdruck findet im Einfluss auf den Dialekt? Also, anders gesagt, der Einfluss des Moselfränkischen auf die Dialekte der Donauschwaben ist geringer, als es der Zahl der Siedler entsprechen würde. Wie ist das zu erklären?

Gehl: Bei der Entwicklung einer Sprachform kommt es zur Mischung und zum Sprachaus-gleich erster Stufe innerhalb der Sprecher einer Ortschaft, später auch zum Ausgleich zweiter Stufe in einer ganzen Region. Wobei auch das Rheinfränkische, Schwäbische oder Bairische, in unserem Fall entsprechend das Banater ‚Schwäbische‘ durchaus nicht einheitlich sind. Das Moselfränkische der zahlreichen Banater Ansiedler war nicht einheitlich, so dass die auffälligen Merkmale wie unverschobenes ‚t‘ in dat, wat, wie gesagt, mit oberdeutscher Hilfe beseitigt wurden, und auch die anderen Merkmale nur noch zum Teil vorhanden sind. Zu beachten ist in diesem Fall der prägende Einfluss der bairisch-österreichischen, also oberdeutschen Stadtsprachen, die natürlich auf die Dorfdialekte gewirkt haben. Durchsetzen können sich nicht nur die am stärksten vertretenen, sondern die einheitlichsten und einfachsten, der Standardsprache näher stehenden Dialekte. Im Banat z. B. nicht das Schwäbische, das ja auch nach dem schwäbischen Sprachforscher Hugo Moser als schwierig erklärt wurde, sondern das Pfälzische und das Rheinfränkische. Oder in der Schwäbischen Türkei in Ungarn das Hessische. Und in der Umgebung von Budapest und im Banater Bergland das Bairische mit seinen Varianten, weil die eben einheitlicher in diesen Gebieten waren. Es sind mehrere Faktoren, die hier mitspielen, natürlich auch psychologische Faktoren.


Frage: Sie haben jetzt wieder einen Fachausdruck benutzt: ‚Sprachausgleich‘. Was ist das?


Gehl: Sprachausgleich ist die Vereinheitlichung. Das heißt, die Sprecher müssen sich ja ver-ständigen können. Und im Zuge ihres Kommunikationsprozesses bleiben nun schwierigere Merkmale weg, und es setzen sich jene Merkmale durch, die alle verstehen. Das entspricht im Großen dem Ausgleich, damit irgendwann eine mehr oder weniger einheitliche Mundart-form, also Sprachvarietät entsteht.


Frage: Gibt es Angaben über die Anzahl der Lothringer, die damals vor 300 Jahren nach Südungarn ausgewandert sind? Ein Teil der Lothringer spricht bekanntlich Moselfränkisch. Wie sieht das prozentual aus, also der Prozentsatz der Lothringer gemessen an allen Ansiedlern von damals?


Gehl: Es ist sehr verlockend, diesen Dingen nachzugehen. Aber es liegen keine genauen Zahlen vor. Trotzdem kann man annehmen, dass der Anteil moselfränkischer Sprecher in einigen Banater Ortschaften beträchtlich war. Zahlen über die Herkunft der Einwanderer er-scheinen in mehreren Ortsmonographien. So kamen ab 1748 nach Neubeschenowa 309 deutsche Ansiedler, deren Herkunft zum Großteil ermittelt ist. Und zwar kamen von ihnen 141 aus dem Rheinland, 107 aus Hauenstein/Schwarzwald, 17 aus Lothringen, 10 aus Lu-xemburg, je 3 aus der Rheinpfalz und aus Österreich, 1 Ansiedler aus Westfalen. Bei der Ausbildung der moselfränkischen Ortsmundart wurde das Alemannische und auch das Rheinfränkische zurückgedrängt, also eigentlich eine Ausnahmeerscheinung.
Oder: Von den 626 Bruckenauer Ansiedlern mit ermittelten Herkunftsgebieten kamen 212 aus dem moselfränkischen Teil Lothringens, 18 aus Luxemburg und 18 aus Westfalen. Dazu 57 aus dem Rheinland, 27 aus der Rheinpfalz, 26 aus Bayern und 16 aus Baden-Württemberg, 13 aus Hessen. Das Moselfränkische erhielt sich bloß durch Relikte in der heute nordrheinfränkisch geprägten Ortsmundart.


Frage: Sie haben zwar gesagt, dass es schwierig ist, Zahlen anzugeben. Können Sie trotz-dem einen Versuch machen, dies prozentual einzuordnen, also Lothringer stellen soundsoviel Prozent der Ansiedler dar?

Gehl: Also, das ist wirklich eine schwierige Frage. Von den rund 200.000 donauschwäbischen staatlichen und privaten Siedlern im 18. und 19. Jahrhundert sind nach Schätzungen von Josef Volkmar Senz (Geschichte der Donauschwaben, 1987) – genaue Zahlenangaben fehlen also hier – ein Drittel fränkischer, pfälzischer, hessischer und moselfränkischer Herkunft, ein Drittel bairischer und ein Viertel schwäbischer bzw. auch alemannischer und elsäs-sischer Herkunft. Die restlichen acht Prozent sind Franzosen, Italiener, Spanier und andere Ethnien. Lothringer waren etwa – würde ich sagen – etwa zehn Prozent unter den Ansiedlern. Es ist eine ganz vorsichtige Schätzung. Doch das relativiert sich, wie gesagt, im Vergleich zum Ausgleich der einzelnen Dialekte, wobei sich die Zahl verschoben hat.
Zwei Beispiele würde ich geben. Im Banater Mercydorf wurden zuerst, also im Jahre 1734, Italiener angesiedelt. Das ist eine weniger bekannte Sache. Zu diesen kamen Deutsch-Lothringer, nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) schließlich Militärsiedler aus Böhmen, Mähren und Österreich, danach westdeutsche Einwanderer vom Rhein, von der Mosel und der Saar, so dass 1774 die Moselfranken in der Mehrheit waren. In der dritten Siedlungsperiode kamen 1874 Pfälzer Kolonisten, worauf sich eine pfälzische Ausgleichs-mundart herausbildete aus den Gründen, die ich vorhin genannt habe, weil diese Mundart etwas leichter war, sich besser durchsetzen konnte.
Oder ein zweites Beispiel: Von den Ansiedlern in Hatzfeld, heute Jimbolia im rumänischen Banat, stammen 44 Prozent aus dem Raum Trier, 25 Prozent aus Luxemburg, 17 aus Westfalen, also dem Sauerland, 7 Prozent aus Lothringen, 4 Prozent aus der Pfalz und 3 Prozent aus dem Bistum Mainz Es entstand aber hier eine rheinfränkische Mundart mit starkem moselfränkischen Einfluss.


Frage: Welche Mundarten haben die Mundarten der Donauschwaben am stärksten geprägt?


Gehl: Vom Charakter einer Siedlungsmundart lässt sich nicht auf den Herkunftsort der Sied-ler, höchstens auf eine Landschaft schließen. Denn diese Dialekte entwickeln sich ja selbst-ändig und haben sich in Deutschland weiter entwickelt. Also, man kann heute nicht sagen, ‚das entspricht dem und die Siedler kamen von dort‘. Verkehrsmundartlicher Ausgleich mit dem Prestige einzelner Sprechergruppen und dem prägenden Einfluss, wie gesagt, von städtischen Umgangssprachen sind die wichtigsten Faktoren, welche die Entwicklung der Dorfmundarten bestimmt haben. Man darf nicht vergessen, 250 Jahre sind ja auch gar nicht lange für die Entwicklung einer einheitlichen Mundart. Im Siebenbürgischen z. B. hat dieser Prozess 800 Jahre gedauert. Und es sind immer noch mehrere Varianten von Dialekten vorhanden.
Im Banat hat sich trotz beachtlichen moselfränkischen Zuzugs eine rheinpfälzische Verkehrsmundart herausgebildet. Das Pfälzische hat sich wegen seines einfacheren Laut- und Formensystems durchgesetzt und die etwas schwierigeren moselfränkischen oder schwäbischen Teile in den Dialekten verdrängt. Mundarten mit schwierigerem Laut- und Formensystem setzen sich nur dort durch, wo sie stark vertreten sind und keine Konkurrenz haben bzw. von anderen Mundarten gestützt werden. Etwa das Oberschwäbische der Sath-marer Schwaben, das sich bis heute erhalten hat, das Hessische in Süd-Ungarn oder, sagen wir, das Bairische im Ofener Bergland bei Budapest und im Banater Bergland.


Frage: Die Banater Schwaben und die Sathmarer Schwaben sind aus Rumänien weitestgehend ausgewandert. Die Donauschwaben in Ungarn wurden nach 1945 mindestens zur Hälfte vertrieben. Die Donauschwaben in Jugoslawien sind geflüchtet bzw. in Konzentrationsla-gern von Josip Broz Tito umgekommen. Also, es gibt nur noch einen sehr kleinen Restbe-stand an Donauschwaben in den alten Siedlungsgebieten. Wie sieht denn die Zukunft der donauschwäbischen Dialekte aus?


Gehl: Die Zahl der sogenannten donauschwäbischen Mundartsprecher ist heute gering. Gerade nach der massiven Aussiedlung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa seit den 1980er Jahren bestehen interessanterweise noch immer gesetzliche und praktische Möglichkeiten zur Bewahrung der deutschen Muttersprache bzw. der Ortsdialekte und des Unterrichts in deutscher Sprache, vor allem in Rumänien. Natürlich werden die nicht so sehr genutzt, eben weil kein Bedarf mehr besteht und der Bedarf immer geringer wird. Doch das Deutsche wird nach der Zersiedlung und Auflösung der deutschen Sprachgemeinschaften in den früheren Siedlungsgebieten immer mehr zurückgehen, und dadurch werden die deutschen Institutionen ihre Funktion verlieren. Allerdings hat das Deutsche als Fremdsprache bzw. als Tourismussprache noch eine reelle Chance zum Fortbestehen in Südosteuropa. Deutsch wird ja, wie wir wissen, auch in Ungarn gerade als erste Fremdsprache gelernt. Ob es sich als Verkehrssprache neben dem gewaltsam vordringenden Englisch behaupten kann, das ist die große Frage. Die wenigen verbliebenen Donauschwaben könnten als Katalysator in der Bewahrung der deutschen Verkehrssprache wirken. Das ist die Feststellung, während in Deutschland die Sprecher der zweiten und dritten Generation sich natürlich der Standard-sprache und den Verkehrsmundarten des jeweiligen Gebiets, in das sie gelangt sind, wahr-scheinlich anpassen werden.


Frage: Damit haben Sie eigentlich schon eine Frage vorweggenommen. Die meisten Do-nauschwaben und ihre Nachkommen leben heute in Deutschland, in Österreich, in den USA, in Kanada, in Australien, in Brasilien, in Argentinien. Hat Donauschwäbisch eine Chance, auch dort in diesen neuen Heimatländern zu überleben?


Gehl: Wohl kaum. Es ist eben eine Familiensprache. Es wird in verschiedenen Institutionen noch gepflegt, vielleicht auch in kulturellen Darbietungen. Aber, sagen wir z. B. Entre Rios, diese Siedlung der Donauschwaben in Brasilien, im Bundesstaat Parana, die wird ja auch zu Portugiesisch übergehen, weil die Heirat zwischen den einzelnen Familienmitgliedern mit auswärtigen Partnern dazu führt, dass das Portugiesische vordringt, in Ungarn das Ungari-sche, in Rumänien wohl das Rumänische. Also, in dem Sinne werden sich diese Dialekte nicht mehr erhalten, denn es besteht keine Notwendigkeit mehr, dass sie sich als solche erhalten werden.

Frage: Und im ehemaligen Jugoslawien, sagen wir das noch dazu, also in Serbien und Kroa-tien, ist wahrscheinlich der donauschwäbische Dialekt, ich nenne das jetzt in Anführungsstrichen so, im Laufe der letzten fünfzig Jahre durch Ungarisch, durch Serbisch, durch Kroatisch verdrängt.

Gehl: Na ja, mit denen ich sprechen konnte, hat man das schon gesehen, dass die Enkel z. B. ein Lied wie ‚Hänschen Klein‘ in der Schule lernen, aber in Standardsprache. Der Dialekt als solcher wird nicht mehr gepflegt. Manche Leute verstehen ihn noch. Er kann auch ein bisschen gefördert werden. Aber er hat in dem Sinne keine Zukunft. Man denke bloß daran, dass in Serbien vielleicht noch 8.000 Überlebende von den Donauschwaben vorhanden sind, in Kroatien 4.000 bis 5.000 vielleicht. Das ist eine Zahl, die nicht aussagekräftig ist und nicht dafür stehen kann, dass diese Mundartvariante sich weiter erhält.

Frage: Wann wird Ihrer Schätzung nach der letzte donauschwäbische Mundartsprecher verschwinden?


Gehl: Sprecher – das kann man wohl voraussagen. In zehn bis höchstens zwanzig Jahren schätze ich mal, dass man nicht mehr diese Mundartvariante spricht. Aber eben die Erinne-rung, dass man einer Ethnie angehört oder angehört hat, die etwas Besonderes hat, die wirkt wohl nach. Es sind bestimmte kulturelle Einflüsse, die bei den Nachfolgegenerationen dazu führen werden, dass sie sich für ihre Geschichte interessieren. Und es ist interessant, dass sie auch Beziehungen knüpfen zu den jeweiligen Ländern, aus denen ihre Vorfahren kamen. Das ist interessant für die Beziehungen zwischen den Ländern. Und auch in Zukunft wird das wohl so weitergehen. Aber die Sprache an sich ist nicht mehr gefragt und wird wohl aussterben.


Frage: Herr Dr. Gehl, Sie sind Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für donauschwäbi-sche Geschichte und Landeskunde in Tübingen. Wann, von wem und mit welchem Ziel wur-de dieses Institut gegründet?


Gehl: Das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde wurde vom Land Baden-Württemberg am 1. Juli 1987 als eine nachgeordnete Forschungseinrichtung in Tübingen gegründet mit dem Ziel, die Geschichte, Landeskunde und Dialekte der deutschen Siedlungsgebiete in Südosteuropa sowie die Integration der Heimatvertriebenen wissen-schaftliche zu erforschen und zu dokumentieren.

Frage: Wer finanziert das Institut?

Gehl: Das Institut wird vom Innenministerium des Landes finanziert und gehört, wie das Jo-hannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde in Freiburg, zur Kulturabteilung des In-nenministeriums Baden-Württemberg.


Frage: Was hat Sie veranlasst, sich gerade mit dem Kapitel Mundartforschung zu beschäftigen?


Gehl: Das mag für Außenstehende vielleicht ein bisschen ungewöhnlich klingen. Mein Forschungsbereich am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde sind die Dialekte und Volkskunde, also Ethnographie, die eng miteinander verknüpft sind. Sprache gehört zum Leben einer Ethnie. Und die Kenntnis einer Sprache bzw. sprachlichen Varietät ermöglicht den Zugang zum Leben und der Arbeit ihrer Sprecher. Mit meinem eigenen südfränkischen Heimatdialekt beschäftigte ich mich schon während der Studienzeit an der Universität Temeswar (Timisoara). In meiner Dissertation untersuchte ich den Fachwortschatz der Landwirtschaft in den oberfränkischen Mundarten des Banats, also im nördlichen Teil um Arad. Und da die Projekte der Mundart-Wörterbücher weder in Temeswar noch in Budapest realisiert wurden, wo man jahrzehntelang daran gearbeitet hat, also vorgab zu arbeiten, müsste man heute sagen, führe ich am Institut hier in Tübingen als wichtigstes Vorhaben die Erarbeitung eines Fachwortschatzes der donauschwäbischen Dialekte durch. Davon ist 1997 der erste Band, nämlich ‚Wörterbuch der donauschwäbischen Bekleidungsgewerbe‘ erschienen, also Verarbeitung von Textilien und Leder zu Bekleidungsstücken. Im Jahre 2000 erschien Band 2 ‚Wörterbuch der Baugewerbe‘ bzw. jene Gewerbe, jene Fachgruppen, die sich mit Holz-, Stein- und Metallbearbeitung beschäftigen. In diesem Jahr (2002), bis Herbst nehme ich an, schließe ich den dritten, äußerst komplexen Band über den Fachwortschatz der donauschwäbischen Landwirtschaft mit all ihren Besonderheiten ab. Und 2004 soll der vierte und letzte Band, nämlich über donauschwäbische Lebensformen und interethnische Beziehungen mit den benachbarten Ethnien abgeschlossen werden. [Er ist wirklich 2005 erschienen.] Diese Wörterbuchreihe ermöglicht einen Überblick über das Leben und die Arbeit der Donauschwaben in ihren ostmitteleuropäischen Siedlungsgebieten und will versuchen, das ‚Donauschwäbische Wörterbuch‘, das nicht erstellt werden konnte in den Siedlungsgebieten, hier noch einmal zusammenfassend darzustellen.

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